Was ein Risiko ist, ist sehr individuell

Wie gesagt, Leben bedeutet Risiko. Doch was und wie hoch ein Risiko ist, das schätzen Menschen ganz unterschiedlich ein. Und auch was sie daraus für ihr eigenes Handeln ableiten, ist sehr heterogen. Für die Risikoforschung ist es wichtig zu unterscheiden zwischen wissenschaftlich belegten Risiken und den in der Bevölkerung wahrgenommenen Risiken. So ist schon das Verständnis von Risiko in vielen Fällen unterschiedlich. Aus Sicht der technischen Risikoforschung ist Risiko die Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses und dessen Schadensausmaß. Für Laien kann Risiko aber zum Beispiel einfach nur die Eintrittswahrscheinlichkeit umfassen oder nur davon beeinflusst sein, wie hoch ein potenzieller Schaden eingeschätzt wird. So werden Atomkraftwerke in Deutschland immer noch als eine der Hauptrisikoquellen von Strahlung genannt, obwohl sie dies aus fachlicher Sicht nicht sind. Allerdings ist ihr psychologisches Bedrohungspotenzial sehr hoch, und das ist ausschlaggebend für die Laienperspektive.

Ansprechpartner

Sebastian Götte

Sebastian Götte - Ich erwecke Ihre Daten zum Leben
Jenga Risiko
Background photo created by ijeab - www.freepik.com

Risikowahrnehmung ist ein komplexes Konstrukt

Die Risikoforschung beschäftigt aus diesen Gründen seit Langem mit der Frage, was die Wahrnehmung eines Risikos beeinflusst. Dabei sind verschiedene Erklärungsmodelle entstanden. Mittlerweile ist sich die Forschung einig, dass Risikowahrnehmung ein mehrdimensionales Konstrukt ist. Ein relativ neues und interessantes Modell haben Wilson et al. (2018) vorgelegt. Es betrachtet die klassischen Risikoeigenschaften „Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit“ und „befürchtete Konsequenzen“, bezieht aber darüber hinaus affektive Faktoren sowie die wahrgenommene Verhaltenskontrolle mit ein. So wird darin auch erhoben, wie groß die Angst, Beunruhigung und Sorge vor einem bestimmten Ereignis ist. Und es wird berücksichtigt, wie gut sich die Personen dazu in der Lage fühlen, dem Risiko auszuweichen. Diese und andere Modelle beziehen also sowohl rationale als auch emotionale Faktoren in ihre Bewertung mit ein. Je weniger eine Person über ein bestimmtes Ereignis oder potenzielles Risiko weiß, desto stärker überwiegt die emotionale Seite bei der Bewertung. Zwischen Expertinnen und Laien können dann bei der Risikowahrnehmung große Unterschiede entstehen.

Risikoforschung bringt die Laiensicht in die Diskussion

Die Erforschung der Risikowahrnehmung von Laien ist damit Aufgabe der empirischen Sozialforschung. Das beginnt bei der Frage, welche Risiken und Quellen von Risiken in der Bevölkerung eigentlich bekannt sind – ausdrücklich inklusive solcher Risiken, die aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich kaum oder gar nicht existieren. Als zweite Frage stellt sich dann, welche Auswirkungen diese wahrgenommenen Risiken auf die Einstellungen und Gefühlswelten der Bürgerinnen und Bürger haben. Fühlen sie sich bedroht? Machen sie sich Sorgen? Und haben sie das Gefühl, ausreichend geschützt zu sein? Daraus folgend ist von Interesse, welche Handlungen aus diesen Einstellungen und Gefühlen erwachsen. Sorgen die Bürgerinnen und Bürger vor? Und falls ja, wie? Aus diesen Informationen können staatliche Institutionen schließlich ableiten, welche Maßnahmen im Bereich der Risikovorsorge und -kommunikation geboten und zielführend sind.

Empirische Studien zur Risikowahrnehmung liefern Erkenntnisse über:

  • in der Bevölkerung wahrgenommene und nicht wahrgenommene Risiken 
  • den Kenntnisstand zu Risikoquellen, Risiken und Prävention
  • den Einfluss der Risikowahrnehmung auf das Alltagshandeln
  • sinnvolle Informations- und Kommunikationswege für staatlichen Risikoschutz.
Risikoforschung